Iranisches Leben in Hamburg


Vorwort
"Freie und Hansestadt Hamburg", das "Tor zur Welt". - Unter allen Ländern des Nahen Ostens ist Iran das erste gewesen, das durch dieses Tor eingetreten ist. Seit den 1920er Jahren besteht eine iranische Handelskolonie in Hamburg, die mit dem Import iranischer Waren, unter anderem Kaviar, Pistazien und Teppichen, zu tun hat. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dieser Markt, vor allem der Teppichhandel, zu einem der größten iranischen in der Welt. Parallel zum Wachstum dieser Märkte entwickelten sich wegen des Anstiegs der in Hamburg lebenden Iraner als Antwort auf deren eigene Bedürfnisse sozio-kulturelle und wirtschaftliche Institutionen wie zum Beispiel Banken, Schulen, Moscheen.
Nach der islamischen Revolution von 1979 wanderte eine große Zahl iranischer Stadtbewohner aus dem Iran aus. Viele von ihnen, etwa 98 000, leben in Deutschland, davon etwa 20 000 in Hamburg und Umgebung; offiziell beträgt die Zahl der Iraner in Hamburg jedoch nur 12 700.
Die Umsiedlung von einem Kontinent zu einem anderen hat im Leben der Iraner einen starken Wandel mit sich gebracht. Diese Veränderungen sind das Thema dieser Arbeit.
Bei der Erstellung dieser Dissertation konnte ich auf die Ergebnisse von Mehrdad Darwishpour zurückgreifen, die ich aus verschiedenen Voträgen und Artikeln von ihm über iranische Emigrantenfamilien gewinnen konnte. Das Buch von Karin Hesse-Lehmann, "Iraner in Hamburg", stellte eine weitere wichtige Quelle dieser Arbeit dar.
Hiermit bedanke ich mich herzlich bei all den Personen, die mir durch die Bereitschaft zur Interviewaufnahme oder zu Gesprächen geholfen haben.
Besonders danken möchte ich Frau Prof.Sommerkorn, die mich betreute und mir in den einzelnen Phasen meiner Arbeit mit ihren geduldigen Anregungen und dem ausführlichen Eingehen auf meine Untersuchung sehr geholfen hat. Ich bin ebenfalls Herr Prof.Dr.Siefer sehr dankbar, der mir von Beginn meines Studiums im Jahre 1989 in jeder Phase dieser Arbeit mit zahllosen konstruktiven Vorschlägen geholfen hat. Ich bin ebenso der inzwischen verstorbenen Frau Prof.Hoffmann-Riem zu Dank verpflichtet für ihre Hilfe bei den Vorbereitungen dieser Arbeit, vor allem der Auswahl der Literatur bezüglich des Themas dieser Untersuchung.
Nicht zuletzt möchte ich Herrn Prestin für die Durchsicht des Textes und seine Mühe beim Abschreiben des Manuskriptes herzlich danken.
Hamburg-Bergedorf, 1996
Einleitung
Nach der islamischen Revolution von 1979 haben große Teile der iranischen Intellektuellen, der ausgebildeten Bevölkerung und zum Teil auch Angehörige der städtischen iranischen Bevölkerung, die keine bedeutende Hoffnung auf ihre Zukunft hatten, das Land verlassen und sind als Emigranten nach Westeuropa, Nordamerika und Australien ausgewandert. Diese Migration hat verschiedenartige Ursachen wie politische und religiöse Verfolgung, Handelsinteressen, die Suche nach Arbeit, Studienwünsche, Flucht vor Krieg (um den Kriegsfolgen zu entgehen oder einer Einberufung als Soldat auszuweichen). Die betroffenen Iraner versuchten auf verschiedene Weisen, den Iran zu verlassen. Für diejenigen, die über einen Reisepaß verfügen konnten, stand die Möglichkeit der legalen Ausreise offen, doch einem Teil blieb nur die illegale Flucht über die Grenze oder der Versuch, mit gefälschten Papieren auszureisen.
Bis zum Zerfall der Sowjetunion war das Überschreiten der Nordgrenze des Iran faktisch unmöglich, die Westgrenze wurde durch den sich mit dem Iran im Kriegszustand befindlichen Irak versperrt, und auch die Ostgrenze war wegen des Konflikts in Afghanistan unpassierbar. Demzufolge war eine Flucht über die West- bzw. Ostgrenze auf die Grenzen zur Türkei bzw. nach Pakistan eingeschränkt. Der persische Golf im Süden des Iran bildet darüberhinaus eine natürliche Grenze für die Flucht nach Süden.
Einige Iraner haben wegen des Verlustes ihres wirtschaftlichen und sozialen Status den Iran verlassen in der Hoffnung, im Ausland diesen Status nochmals zu erreichen. Die Heterogenität der iranischen Bevölkerung zeigt sich in verschiedenen kulturellen Gegensätzlichkeiten, die zu religiösen, politischen und ethnischen Unterschieden führte. In der Folge wanderten etwa drei Millionen Iraner aus dem Iran aus; diese Auswanderung wird in der vorliegenden Untersuchung "Migration" bezeichnet.
Seit diesen Jahren kann man von der Türkei bis nach Europa eine nicht zu übersehende Zahl von Iranern bemerken. Auch in anderen Ländern wie zum Beispiel den USA, Kanada und Australien leben viele Iraner. In Japan kann man die Anwesenheit von iranischen, meist jüngeren männlichen Gastarbeitern bemerken.
Die Migration ist mitunter von Dauer, bisweilen jedoch auch nur vorübergehend. Einige wandern zum Zweck des Handels oder des Studiums aus, dies sind großenteils vorübergehend Emigrierte, die nach einer bestimmten Zeit, z.B. dem Studienabschluß, zurückkehren und die oftmals die Möglichkeit besitzen, den Iran zu besuchen.
Der größere Teil der Migranten beantragt jedoch wegen der Möglichkeiten der westlichen Staaten Asyl, um so eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu erhalten. Ein Teil der Flüchtlinge ist wirklich politisch verfolgt.
Die Umsiedlung, die vor allem von einem Kontinent zu einem anderen stattfindet und zunächst für die Betroffenen einfach erscheint, bringt wegen der Unterschiede in allen kulturellen und sozialen Aspekten des Lebens Schwierigkeiten mit sich. Zum großen Teil haben die Migranten keine andere Wahl als zu bleiben und ein problembehaftetes Leben mit Hoffnung und Furcht zu führen.
Nach einigen Jahren des Aufenthalts normalisiert sich für die Migranten ihre äußerliche Situation, aber die inneren Probleme nehmen zu. Allmählich treten diese Probleme immer stärker in den Vordergrund, und der Betroffene wird müde, diese ständig bekämpfen zu müssen.
Dies ist gemeint, wenn in iranischen Exilpublikationen von der problematischen Lebenssituation der iranischen Migranten gesprochen wird, und wenn einige sogar von der Krise der iranischen Migranten reden. Die Änderungen, die in das Leben dieser Migranten treten, sind bedingt durch die geforderte Anpassung an die fremde Gesellschaft. Aufgrund der Migration treten erhebliche Probleme im Leben der iranischen Migranten auf. Als Beispiel dieser problematischen Situation kann man die zunehmende Scheidungshäufigkeit unter iranischen Ehepaaren in der Migration betrachten, die steigenden Selbstmordzahlen sowie die vor allem bei Frauen auftretenden ständigen oder vorübergehenden Depressionen. Die Kinder solcher Migranten-Familien sind häufig hin- und hergerissen zwischen ihrer Familie und der Gesellschaft, in der sie leben. Ältere Menschen, die als Teil einer Großfamilie, z.B. als Großeltern ausgereist sind, bleiben wegen der Beschäftigung der übrigen Familienmitglieder mit sich selbst alleine und hilflos, weil deren erwachsene Kinder kaum Zeit haben, die Probleme ihrer Eltern zu lösen. Einige von ihnen müssen deshalb in ein Altersheim.
Manche Kinder lernen ihre eigene Muttersprache nicht richtig. Vor allem Kinder unter 10 Jahren können sich nur in einem Gemisch aus der Muttersprache und der Sprache der Gastgesellschaft ausdrücken.
Ein Großteil der Iraner in den USA lebt in Kalifornien ; wenn in Veröffentlichungen iranischer Fachleute über die Krise der iranischen Migranten gesprochen wird, sind im allgemeinen diese vor allem in Los Angeles lebenden Iraner gemeint. Trotzdem sind von dieser problematischen Situation alle iranischen Migranten mehr oder weniger betroffen.
Das Leben der Iraner in Hamburg hat seine eigenen Besonderheiten. In Hamburg kann man auf Beamte der iranischen Fluggesellschaft, auf Diplomaten, Angestellte der iranischen Banken sowie Beamte der iranischen Schule ebenso treffen wie auf staatlich bedienstete Vertreter der iranischen Moschee, des Handelsministeriums und nicht zuletzt auf iranische Geschäftsleute, die Handel zwischen dem Iran und Deutschland treiben.
Wöchentlich verkehren zwei regelmäßige Linienflüge in Direktverbindung zwischen Teheran und Hamburg, doch dies ist nicht die einzige Flugverbindung, über die Iraner üblicherweise nach Hamburg reisen. Auch der Flug über Frankfurt oder London ist gebräuchlich.
Unter den einzelnen iranischen Gruppierungen in Hamburg kann man einige beobachten, darunter Männer und Frauen, die allein schon durch ihre Kleiderordnung die Zugehörigkeit zu staatlichen iranischen Behörden erkennen lassen. Auf der anderen Seite gibt es hier die Präsenz der iranischen oppositionellen Gruppen, die mitunter politische Aktivitäten entfalten und gelegentlich auch Demonstrationen gegen die iranische Regierung abhalten.Dazu zählen vor allem die Volksmudjahedin. Unter den Iranern, die sich in keine dieser beiden gegensätzlichen Gruppierungen einordnen lassen, befinden sich die "ursprünglichen" Geschäftsleute und solche, die erst nach der islamischen Revolution von 1979 nach Hamburg gekommen sind, sowie Ärzte, Rechtsanwälte, behördlich anerkannte Übersetzer und Dolmetscher, die von deutschen Behörden oder privaten Betrieben beschäftigt werden.
Dazu kommen die Selbständigen, von denen die meisten asylberechtigten Flüchtlinge sind, die hier Fuß fassen konnten und in den Bereichen des Lebensmittelhandels, des Gastronomie- und Hotelgewerbes, des Autohandels in Kfz-Werkstätten, im Export von Industrieprodukten und im Beförderungsgewerbe, unter anderem im Taxigewerbe, tätig sind. Im Bereich der Universität Hamburg kann man auch auf iranische Studenten treffen. Zumindestens für Iraner ist die Präsenz ihrer Landsleute in Hamburg, vor allem im Zentrum, deutlich spürbar.
In dieser Untersuchung wird versucht, den Lebensstil der Iraner in Hamburg zu beschreiben, vor allem im Hinblick auf die Veränderungen, die wegen des unterschiedlichen Grades der Aufnahme oder der Ablehnung der deutschen Kultur zwischen den Familienmitgliedern aufgetreten sind. Dazu gehören unter anderem die Zunahme der Scheidungshäufigkeit, Konflikte, Entfremdung und Trennung von Eltern und Kindern.
Die Beschäftigung mit diesem Thema reicht zurück ins Jahr 1989, dem Zeitpunkt, als ich mit meiner damaligen Betreuerin, Frau Prof.Hoffman-Riem, das vorliegende Dissertationsprojekt vereinbarte.
Nach Durchführung zahlreicher narrativer Interviews mit Betroffenen wurden 14, typische, ausgewählt, die die meisten der im Lebensstil auftretenden Veränderungen und ihre Probleme und Krisen beinhalten. Die meisten Probleme können auch in verschiedenen anderen Veröffentlichungen bemerkt werden, sowohl in- als auch außerhalb des Iran. Dabei wurden durch diese Interviews auch einige neue Punkte und Charakeristika herausgefunden. Durch systematische persönliche teilnehmende Beobachtung des täglichen Lebens der iranischen Flüchtlinge und anderer Migranten, wie z.B. durch den Besuch von Asylantenheimen, von iranischen Geschäften, von iranischen Patienten in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken, durch das Gespräch mit Betroffenen und Fachleuten, und auch durch Lektüre von Literatur zu diesem Thema wurde es möglich, den Unterbau dieser Arbeit sowie verschiedene untersuchungsleitende Fragen zu formulieren.
Diese Ergebnisse wurden mit den Schlußfolgerungen, die durch die Analyse der fünf Experteninterviews (Nr.15-19) erhalten wurden, verglichen, ebenso wie mit den Ergebnissen der sich damit befassenden Literatur, eigenen Beobachtungen und anderen Informationsquellen.
Durch Anschreiben verschiedener Hamburger Behörden wurde versucht, statistische Daten bezüglich des Themas dieser Untersuchung zu erlangen, und tatsächlich waren die Materialien einiger Behörden, beispielsweise des Arbeitsamtes oder der Innenbehörde, eine große Hilfe. Einige Verwaltungsorgane konnten leider nicht mit Daten helfen, sei es, weil diese nicht vorlagen oder weil sie aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht weitergegeben werden durften.
Zu dem Thema dieser Untersuchung wurde im Februar 1993 ein Buch veröffentlicht, dessen Gegenstand eine kulturwissenschaftliche empirische Forschung im Bereich der Volkskunde ist. Es handelt sich um die kulturelle Begegnung zwischen Deutschen und Iranern in Hamburg. Obwohl beide Untersuchungen einen ähnlichen Titel tragen, behandeln sie das Thema unterschiedlich. Die dieser Dissertation ähnliche Untersuchung über Iraner in Hamburg ist von Karin Hesse-Lehmann unter dem Titel "Iraner in Hamburg" veröffentlicht worden, die sich als Untersuchung der Volkskunde mit den Verhaltensmustern der Iraner im allgemeinen beschäftigt. Dennoch war die Lektüre dieses Buches für die vorliegende Arbeit eine große Hilfe.
Die Autorin schildert im Vorwort: "Mein Buch ist insofern ein Versuch, eigene Lebenserfahrungen zu reflektieren und zu verarbeiten. Ein persönliches Motiv birgt bei einer wissenschaftlichen Untersuchung spezifische Probleme in sich. Ob es mir gelungen ist, das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden, mögen die Leser entscheiden. Meine Studie soll überdies ein Baustein zum Verständnis der alten Kultur Irans und der aus diesem Land stammenden, mit uns in Deutschland zusammenlebenden Menschen sein. Gerade in der gegenwärtigen Situation sind Verstehen und Toleranz für beide unverzichtbar."
Die Forschung umfasste den Zeitraum von 1988 bis 1992.

Integration
Integration ist allgemein die Entwicklung, in deren Verlauf sich eine Vielzahl wirtschaftlicher Teileinheiten oder sozialer Gruppen zu einer größeren Einheit zusammenschließen (vergleiche dazu auch Kapitel 1.4 Begriffsbestimmung). Auf der einen Seite spielt die Anpassungsbereitschaft des Einzelnen oder der verschiedenen Gruppen bei der Eingliederung eine wichtige Rolle, auf der anderen Seite ist die Bereitschaft der Gastgesellschaft von ebenso wichtiger Bedeutung (vergleiche Frage 5).
Die Tendenz zu einer Integration ist umso höher, je größer sowohl die Integrationsfähigkeit als auch die Integrationsbereitschaft sind. Je stärker hingegen die Verweigerung von seiten der Emigranten oder der Gastgesellschaft ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Segregation. Zwischen diese beiden Polen kann man eine Form der Anpassung wie zum Beispiel Assimilation beobachten.
Je höher die Demokratie in der Gastgesellschaft ausgeprägt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eigenethnischer Selbstbestimmung sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und politischer Bedürfnisse; sonst müssen sich die Emigranten zwangsläufig den Regeln der Gastgesellschaft unterordnen. Im ersten Fall geht die Segregation von den Emigranten aus, im zweiten Fall werden sie trotz einer vorhandenen eigenen Integrationsbereitschaft von der Gesellschaft zur Segregation gezwungen. In einer extremen Form werden sie sogar aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Assimilation
Der erste Schritt auf dem Weg zur Assimilation ist der Erwerb von Sprachkenntnis; dies ist Teil der personalen Fähigkeiten. Ein weiterer Schritt ist die soziale Assimilation, die die Kontaktaufnahme zu Mitgliedern der Gastgesellschaft bedeutet. In einer nächsten Phase kommt es zur strukturellen Assimilation. Jetzt werden berufliche Positionen berücksichtigt, und Faktoren wie Berufsstatus, Einkommen und Besitz spielen eine immer wichtigere Rolle. Personale Integration ist ein langwieriger Prozeß, der für die erste Generation der Emigranten sehr schwer zu erlangen ist; lediglich für die zweite und dritte Generation ist die personale Integration möglich.
a) Personale Merkmale:
1) Kognitive Assimilation "KOA"
(nach instrumentellen Fähigkeiten; üblicherweise operationalisiert über Sprachkenntnisse)
Der Erlangen von Sprachkenntnissen ist der wichtigste Schritt zur Kontaktaufnahme und auch der erste Schritt zu Assimilation und Integration. Zu diesem Zweck bietet die Stadt Hamburg den Migranten umfangreiche Möglichkeiten, um Deutsch zu lernen, und zwar nicht nur Flüchtlingen und Studenten, sondern allen Ausländern, die daran interessiert sind.
Das Sprachstudium für anerkannte Flüchtlinge in Hamburg ist aufgeteilt in zwei unterschiedliche Sprachkurse, die jeweils zwischen 9 und 12 Monate lang dauern. Diese beiden Sprachkurse sind Pflichtveranstaltungen für anerkannte Flüchtlinge in Hamburg. Der eine Sprachkurs richtet sich an anerkannte Flüchtlinge mit höherer Bildung bzw. mit einem dem deutschen Abitur vergleichbaren Schulabschluß, und soll insbesondere auf das Studium an deutschen Hochschulen vorbereiten.
Dieser Kurs findet in der Otto-Beneke-Stiftung statt und ist auch bei anerkannten iranischen Flüchtlingen sehr gefragt, die von der Teilnahme ausgeschlossen sind, weil sie oben genannte Bedingungen nicht erfüllen. Der andere Sprachkurs wird vom Arbeitsamt Hamburg angeboten und richtet sich an alle anderen anerkannten Flüchtlinge. Es konnte beobachtet werden, daß einige iranische Frauen durch den Besuch dieses Kurses überfordert waren und nach einigen Wochen ein ärztliches Attest vorlegten und von da an zu Hause blieben. Allgemein ist dieser Kurs bei iranischen Flüchtlingen sehr beliebt, gerade bei nicht-anerkannten, die diesen Kurs nicht besuchen dürfen und stattdessen einen Sprachkurs in den Gemeinden besuchen müssen.
Im Anschluß an diesen Sprachkurs des Arbeitsamtes wird ein Arbeitsvorbereitungskurs angeboten (Dauer ca. 15-20 Tage), in dessen Verlauf auch ein privates Hamburger Unternehmen besucht wird, um auf eine berufliche Tätigkeit vorzubereiten. Verschiedene deutsche Unternehmen bieten durch Vermittlung des Arbeitsamtes nach Beendigung dieses Kurses Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für vorerst ein Jahr an; falls das Unternehmen nach Ablauf dieses Zeitraumes mit der Arbeitsleistung des Beschäftigten zufrieden ist, kann der Vertrag um nochmals zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser insgesamt drei Jahre läuft dieses Arbeitsprogramm aus. Während der Dauer dieses Arbeitsprogramms erhält der betreffende Beschäftigte einen Monatslohn von ca. 3000,- DM brutto sowie Vergünstigungen wie Urlaubsgeld. Während dieser Zeit hat der Flüchtling selbstverständlich keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Nicht alle anerkannten iranischen Flüchtlinge, die dieses Programm in Anspruch nehmen könnten, wollen es annehmen. Unter den anerkannten iranischen Flüchtlingen, die dieses Programm annehmen, sind viele Frauen, die einfache Tätigkeiten übernehmen, z.B. als Näherinnen oder Packerinnen. Für diesen Teil der anerkannten iranischen Flüchtlinge ist eine kognitive Assimilation einfacher möglich, wird aber durch die Probleme beim Erlernen der deutschen Sprache erschwert. Dies betrifft vor allem Erwachsene, da sich Kinder erfahrungsgemäß sprachlich schneller assimilieren.
Ja, die jungen Iraner in Deutschland sind in der Regel mit ihrer Lebenssituation sehr viel zufriedener als ihre Eltern; ich habe bei iranischen Jugendlichen einen sehr großen Integrationswillen und eine noch größere Integrationsfähigkeit festgestellt; junge Iraner, die im Kindesalter in das Bundesgebiet eingereist sind, verspüren nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel keinen Wunsch mehr, in ihr Heimatland zurückzukehren. Dies ist bei den Eltern dieser Kinder und Jugendlichen im Regelfall anders. Diese haben den Großteil ihres Lebens im Iran verbracht und sind von ihrem Heimatland geprägt; da die Lebenssituation der meisten älteren Iraner in Deutschland sehr viel schlechter ist, als sie im Heimatland war, ist dieser Personenkreis in der Regel auch sehr viel unzufriedener mit seiner Lebenssituation in Deutschland.
Das erste Problem ist die Anpassung an die Kultur; ein Problem, das eng damit zusammenhängt, ist mangelnde Sprachkenntnis.
Die Flüchtlinge und Studenten streben engagiert danach, die Sprache sobald wie möglich zu lernen. Die ausgebildeten unter den Flüchtlingen widmen der Sprachschule viel Energie und Zeit. Die Mehrzahl der Geschäftsleute versucht lediglich, die für den täglichen Umgang absolut notwendigen Worte zu lernen; sie arbeiten in einer eigenethnischen Sprachatmosphäre im Freihafen, und bei Bedarf nutzen sie die Sprachkenntnisse von Angestellten oder Bekannten, die ihnen in solchen Fällen als Dolmetscher dienen. Deshalb muß man feststellen, das die Assimilationsfähigkeit und -möglichkeit für Flüchtlinge und Studenten größer ist als für Kaufleute; für Studenten ist sie sogar am größten.
2) Identifikative Assimilation "IDA"
(nach Übernahme und Verinnerlichung von Werten und Normen)
"Besondere Aufmerksamkeit muß einer Gruppe von Ausländern gewidmet werden, die zur Problemgruppe Nr.1 in Europa geworden sind: den Moslems. Zur Zeit leben etwa zehn Millionen hier, Schätzungen gehen dahin, daß es binnen eines Jahrzehnts 20 Millionen sein werden. Die Erfahrungen reichen inzwischen zu der Feststellung aus, daß eine Integration der moslemischen Zuwanderer praktisch unmöglich ist, von ihnen selbst auch abgelehnt, ja bekämpft wird."
Diese Einschätzung ist für iranische Flüchtlinge nicht voll zutreffend; dennoch würde ich diese Ansicht in der Tendenz für richtig halten. Viele Europäer haben Angst vor dem Islam und seinem Wachstum, besonders seit dem Zerfall der Sowjetuntion dem damit entstandenen "Bedrohungsvakuum". Ein Teil der Gründe dieser Angst mag ihre Wurzeln in den Kreuzzügen (1096-99 bis zum letzten von 1202-04) und den islamischen Eroberungszügen in Europa haben (Schlacht vor Wien 1683).
"Schon leben über drei Millionen Moslems in Frankreich, über eine Million in Großbritanien. In der Bundesrepublik beten 1,7 Millionen zu Allah, davon knapp 100 000 deutsche Staatsbürger. Mit zwei Millionen Moslems ist Moskau, die einstige Atheisten-Kapitale, eine der großen Moslemstädte der Welt. Die Furcht vor einem neuen Siegeszug der Sarazenen, wie tief sie auch im kollektiven Unterbewußtsein Europas verankert sein mag, scheint indes einstweilen übertrieben. Der Traum von der "dar el-islam", vom "islamischen Haus", unter dessen Dach alle Menschen unter einer islamischen Führung vereint leben sollen, ist so alt wie die Religion selbst: Er ist eine jener Utopien im Islam, die "niemals Wirklichkeit werden", schreibt der Tübinger Islam-Wissenschaftler Heinz Halm. Die riesige islamische Völkerfamilie kann gar nicht einheitlich sein und handeln - zu kraß sind ihre ethnischen, politischen, sprachlichen und vor allem wirtschaftlichen Gegensätze. Clan- und Stammesloyalitäten sind oft stärker als das Band der gemeinsamen Religion."
Die Berechtigung der Furcht Europas vor den Moslems sei dahingestellt, doch diese Furcht kann eine Barriere auf seiten der Europäer sein, Moslems zu integrieren und assimilieren zu lassen. Davon sind auch iranische Flüchtlinge betroffen.
"In Deutschland gibt es zwar im stillen wirkende Islamische Zentren, aber die Mehrheit der Türken ist für eine fundamentalistische Offenbarung nicht zu gewinnen. Das hat spezifisch kulturelle Ursachen und ist auch darin begründet, daß in der Türkei der säkulare Kemalismus des Staatsgründer Atatürk weitgehend Fuß gefaßt hat.
Das bedeutet natürlich nicht, daß es in den türkischen Zentren und Koran-Schulen in der Bundesrepublik gar keinen Fundamentalismus gäbe, ganz im Gegenteil. Doch ist die Lage in Deutschland vergleichsweise besser als in England und Frankreich, weil die Türken integrationswilliger sind.
[...] Franzosen [fordern] von den Migranten die Bereitschaft zur Integration, was wohl nicht mit Französierung gleichgesetzt werden kann. Denn Integration der Moslems bedeutet hier Anerkennung der Basisgrundsätze der politischen Kultur der Moderne: Laizismus, Pluralismus und Toleranz, das heißt uneingeschränkte Freiheit des Andersdenkenden, also nicht im Sinne der Duldung von Christen und Juden nur als Schutzbefohlene unter dem Banner des Islam, wie islamische Toleranzbegriff besagt. Bei einem Expertentreffen am Pariser Institut du Monde Arabe habe ich [Anm.: Bassam Tibi] hierfür den Begriff Euro-Islam geprägt, im Gegensatz zum Ghetto-Islam. Der Franzose Alain Finkielkraut, der aus dem linken Lager kommt, nennt die Preisgabe der politischen Kultur Europas zugunsten einer Dritte-Welt-Einwandererkultur, die weder Demokratie noch eine Menschenrechtstradition hat, "La défaite de la pensée", die Niederlage des Denkens."
An dieser Stelle soll das Buch von Betty Mahmoudi, "Nicht ohne meine Tochter", erwähnt werden, weil es in Deutschland 1991 ein Bestseller war, der zu einem verallgemeinerndem Bild über die iranische Familienstruktur führt, weil persönliche Erfahrungen der Autorin mit einem iranischen Ehemann aus einer religiösen Schicht von den deutschen Lesern verallgemeinert wird. Die Geschichte wurde sogar verfilmt, und es enstand ein bestimmtes Bild von der iranischen Gesellschaft und Kultur. Dieses Buch und der Roman von James Mourier, "Adventure of Hadji Baba of Isfahan", und andere ähnliche Veröffentlichungen, ob sie der Realität gerecht werden oder nicht, zeigen die kulturelle Distanz und den großen Unterschied zwischen den beiden Kulturen, von denen die östliche in Europa, wenn auch nicht lächerlich gemacht wird, so doch nicht beliebt ist. Deswegen bedeutet identifikative Assimilation für einen iranischen Migrant bzw. Flüchtling den Verlust der eigenen Identität, etwas, was er selten bewußt in Kauf zu nehmen gedenkt.
Wir beanspruchen nicht, daß alle unserem Weg folgen, denn jeder hat seine eigene Lebensweise und seine jahrelangen Gewohnheiten. Aber für uns, mit unseren Traditionen und Gewohnheiten, ist unser Weg der beste, und wir sind mit diesem Weg zufrieden. Das ist ein Schutz für die Familie. Meine Eltern, die in der Heimat wohnen, wissen über unser Leben hier Bescheid. Sie kommen einmal im Jahr für etwa einen Monat zu Besuch. Im Vergleich zu unseren Eltern hat es in unserem Leben natürlich Veränderungen gegeben.
Die Assimilation ist in einigen Aspekten oberflächlich und umfaßt die äußere Lebensform.
Unter der Herrschaft dieser Kultur kann man die eigene Identität nicht bewahren und ist ständig in einem psychologischen Zustand, in dem man mit sich und der Gesellschaft nicht im Lot ist. Einige konnten sich an diese Gesellschaft anpassen, doch meist nur oberflächlich, zum Beispiel durch Tragen üblicher Kleidung, Besuchen von Tanzveranstaltungen, Wohnungsgestaltung oder andere oberflächliche Dinge.
Das genannte Buch von Betty Mahmoudie hat nach eigenen Beobachtungen einen Eindruck auf iranische Flüchtlinge in Hamburg. Wenn sie von Deutschen, denen sie als Iraner bekannt sind, nach den im Buch beschriebenen Verhaltensweisen gefragt werden und schilder sollen, ob diese der Realität im Iran entsprächen, versuchen sie vielfach, eine differenziertere Analyse für ein solches Verhalten zu liefern.
Die identifikative Assimilation geschieht sehr selten. Es gibt einige Kirchen, die versuchen, Iraner zum christlichen Glauben zu bekehren, doch führt dies nur selten zum Erfolg. Iranische Flüchtlinge weisen zumeist keine stark ausgeprägte Religiosität auf. Tritt ein iranischer Flüchtling dennoch zum Christentum über, so wird er in der Familie und unter Freunden isoliert und schliesst sich selbst aus, auch, wenn die Freunde und Verwandten selbst nicht ausgeprägt gläubig sind.
Nach einiger Zeit bekam ich Besuch von zwei Männer und einer Frau. Sie brachten neue Kleidung, weil sie uns für arme Menschen hielten. Ich sagte ihnen, daß ich keine Kleidung bräuchte, sondern jemanden, der meine Sprache versteht, mit dem ich reden könne, sonst würde ich wahnsinnig.
Danach kamen sie regelmäßig, vor allem Sonntags, um uns zum Gottesdienst abzuholen. Wir sahen in der Kirche einige Deutsche, mit denen wir in Kontakt kamen, doch wir konnten uns nur mit Mühe verständlich machen. Nach einiger Zeit kriegten wir mit, daß sie uns zum Christentum bekehren wollten. Es schienen einfache und nette Menschen zu sein. Innerlich amüsierte ich mich. Was hat der Islam schon bisher für uns getan, daß wir zum Christentum übertreten müßten? Trotzdem war der Kirchenbesuch schön, denn ich schloß Bekanntschaft mit einem deutschen Mädchen, das mir beim Deutschlernen half. Von nun an besuchte ich jeden Sonntag gerne die Kirche.
Meinen Beobachtungen nach halten iranische Flüchtlinge in der Regel an ihrem eigenen Wertesystem fest, obwohl sie einige sozio-kulturelle Normen aufnehmen. Aus diesen Gründen findet eine identifikative Assimilation selten statt. Auch Namensänderungen als ein Zeichen einer identifikativen Assimilation kommen so gut wie niemals vor (allenfalls nach Verheiratung mit einem deutschen Mann).

b) Sozio-kulturelle Merkmale:
1) Soziale Assimilation "SOA"
(nach Kontakt- und Kommunikationsverhalten; üblicherweise operationalisiert über interethische Kontakte, Besuche, Heiraten)
Soziale Assimilation in Hamburg muß wegen der zurückhaltenden Verhaltensweise der deutschen Gesellschaft einige Barrieren überwinden. Beispielsweise ist Ausländern der Zutritt zu Diskotheken, Theater, Kinos und deutschen Restaurants mit Hindernissen belegt; gemeint sind hier nicht die internationalen Restaurants, die vor allem in der Innenstadt und in den Wohngebieten des Mittelstands liegen, sondern Restaurants, die in den Wohngebieten der oberen Schichten liegen, wie zum Beispiel in Blankenese, Reinbek oder Aumühle. Zugang zu diesen Orten haben auch nicht alle Ausländer, sondern nur solche mit hoher Ausbildung oder einem deutschen Ehepartner. An diesen Orten gelten die Schichtsperren auch für Deutsche. Diese Aussage gilt stärker für Ausländer aus Dritte-Welt-Ländern oder Osteuropa, weniger jedoch für Amerikaner und Westeuropäer; betroffen sind vor allem Polen, Roma und Sinti und Schwarze.
Es gibt einige Iraner, die die Ehe mit einem deutschen Ehepartner eingegangen sind, vor allem iranische ehemalige Studenten, die seit mehr etwa 20-30 Jahren in Hamburg leben. Zum großen Teil sind dies iranische Männer mit deutschen Ehefrauen. Aufgrund eigener Beobachtungen solcher Ehen kann ich sagen, daß diese selten als zufriedene Ehen erlebt werden. Viele solcher Ehen werden selbst nach 20 Jahren noch geschieden.
Durch Gespräche mit drei geschiedenen iranischen Migranten aus solchen Ehen konnte festgestellt werden, daß ein Grund für die Scheidung bei allen drei Ehen in unterschiedlichen Auffassungen über der Erziehung der Kinder lag. Ein anderer Grund für Scheidungen solcher Ehen sind Konlifkte zwischen den Ehepartnern wegen des Besuchs der iranischen Verwandten des iranischen Partners. Im Iran ist es durchaus üblich, mehrmals für längere Zeit (ein Monat oder sogar länger) Besuch aufzunehmen und sich gegenseitig als Gäste willkommen zu heißen, vor allem wenn man weit entfernt voneinander wohnt.
Für einen Iraner bzw. eine Iranerin, der bzw. die mit einem deutschen Ehepartner in Deutschland lebt, sind diese Besuche sehr wichtig, für den deutschen Partner aber völlig unverständlich, weil diese Sitte in der deutschen Gesellschaft unüblich ist und in den Augen des deutschen Partners nur eine finanzielle Belastung darstellt. Nach einiger Zeit versucht der deutsche Ehepartner, auch Besuche im Iran zu vermeiden.
Der eine dieser Männer erzählte von Auseinandersetzungen mit seiner damaligen Frau um die Erziehung ihrer gemeinsamen 20-jährigen Tochter. Der Mann konnte nicht akzeptieren, daß seine Frau der Tochter Freiheiten ließ, wie sie in dieser Gesellschaft üblich sind, und wollte sie vielmehr eher nach iranischen Werten erziehen. Die Tochter hatte hauptsächlich Kontakt zu ihren Verwandten der mütterlichen Seite und kannte die Verwandten des Vaters und das iranische Wertesystem nur durch Erzählungen des Vaters und durch gemeinsame Urlaubsreisen in den Iran. Ein weiterer Grund für die Scheidung dieses Ehepaares war nach Meinung dieses Mannes seine Tätigkeit als Taxifahrer, aufgrund derer er oftmals auch nachts und an Wochenenden arbeitete. Durch diese flexible Arbeitszeit kam es zu einer Entfremdung zwischen ihm und seiner Familie.
Einige andere der beschriebenen Ehen halten manchmal über 30 oder mehr Jahre. Der Ehemann ist hier ausgebildet worden und in einer höheren Stellung einem deutschen Unternehmen fest angestellt. Es scheint, daß sich der Ehemann solcher Ehen an der deutschen Gesellschaft orientiert hat und hier assimiliert ist.
Daneben gibt es andere dieser Ehen, die über 20 oder mehr Jahre dauern, bei denen sich die Ehefrau dem iranischen Wertesystem angepaßt hat und teilweise sogar fließend Persisch spricht. Die Ehen zwischen Iranern und Deutschen, vor allem zwischen iranischen Männern und deutschen Frauen, müssen insgesamt als schwierige Ehen bezeichnet werden. Kontakte zwischen iranischen Flüchtlingen und Deutschen sind nicht dauerhaft und selten.
In drei Fällen waren iranischen Frauen mit deutschen Männern verheiratet. Bei einem zufälligen Besuch einer dieser Familien sprach der Ehemann Persisch und bor mir nach persischer Sitte Tee und Gebäck an. Er verwendete einen im Persischen gebräuchlichen umgangssprachlichen Ausdruck, so daß ich während der ersten zehn Minuten meinte, einen Iraner vor mir zu haben. Erst als der Sohn heimkam und mit seinem Vater Deutsch sprach, wurde klar, daß es sich um einen Deutschen handelte, der lange Jahre im Iran gelebt hatte.
In zwei weiteren Fällen ist von geschiedenen Ehen zu berichten, bei denen deutsche Frauen und Iraner verheiratet gewesen waren. Im ersten Fall wohnte die 21-jährige Tochter nach der Scheidung bei ihrem Vater. Sie sprach nur Deutsch und kannte nicht die Verwandten ihres Vaters. Der Vater erzählte mit traurigem Gesicht, daß ihn seine Tochter oftmals frage, weshalb er ein Iraner sei. Im zweiten Fall lebte der geschiedene Vater mit seiner 25-jährigen Tochter zusammen, die nach 3-jähriger Freundschaft mit einem Deutschen mit dem kleinen Kind aus dieser Beziehung wieder bei ihrem Vater eingezogen war. Auf die Frage nach der Ursache für seine Scheidung antwortete der Mann, er habe zwanzig Jahre lang versucht, mit dem Eheleben zurecht zu kommen und Rücksicht zu nehmen; doch einige Dinge, die nach deutscher Kultur selbstverständlich sind, gelten in der iranischen als tabu. So sei es zum Beispiel in Deutschland nicht unüblich, mit Freunden oder sogar einem Fremden gemeinsam ein Restaurant zu besuchen oder mit ihm tanzen zu gehen. Er hatte seiner Frau nur erlaubt, mit ihren Verwandten zu tanzen, nicht jedoch mit Fremden. Von diesen Kleinigkeiten habe es dermaßen viele gegeben, daß es zu Streit und schließlich zur Scheidung führte. Obwohl diese beiden Iraner viele Werte der deutschen Kultur internalisiert hatten, hielten sie doch so stark an iranischen Sitten und Traditionen fest, daß ihre Ehen darüber zerbrachen.

2) Strukturelle Assimilation "STR"
(nach beruflicher und gesellschaftlicher Position; üblicherweise operationalisiert über Berufsstatus, Einkommen und Besitz)
Strukturelle Assimilation ist für ausgebildete Iraner möglich, die ihren Abschluß vor allem im medizinischen Bereich gemacht haben und sich hier eine Praxis aufgebaut haben oder einen höheren Berufsstatus erreichen konnten. Auch die Kaufleute, die ein höheres Einkommen und Besitz haben, können zum Teil eine strukturelle Assimilation erreichen. Aufgrund der obigen Analyse wird die Formulierung folgender Fragen möglich:
Ist die Wahrscheinlichkeit des Aufbaus einer (eigenethnischen) Selbstversorgung der Migranten größer, je schwieriger der Assimilationsprozeß in einer Gesellschaft ist?
Ist die Tendenz zum Aufbau von Selbstversorgungs-Organisationen größer, je geringer die Assimi-lationsbereitschaft einer Migrantengruppe ist?
Ist die Wahrscheinlichkeit der eigenethnischen Integration bzw. der Entstehung einer multikulturellen Gesellschaft größer, je schwächer die Aufnahmebereitschaft einer Gesellschaft ist?
Diejenigen, die keine ausreichende Assimilationsfähigkeit haben, versuchen, innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe zu bleiben. Doch wenn Verbindungen in andere Länder existieren und die Möglichkeit besteht, in ein anderes Land wie zum Beispiel die USA oder Kanada weiterzuwandern, entschliessen sich einige zu diesem Schritt in der Hoffnung, daß die Abwehrreflexe der dort lebenden Bevölkerung geringer oder die Bindungen an die eigenen Landsleute größer sind.
Wie bereits erwähnt, ist der Integrationsprozess vor allem für die erste Generation der Migranten nicht so einfach möglich. Wenn es gelingt, die Barrieren zu beseitigen, ist dies vielleicht für die zweite oder dritte Generation vorstellbar. Personale, soziale und systematische Integration sind die verschiedenen Dimensionen der Integration.
illa mi.

 Personale Integration "PIN"
(nach Spannungen, Dissonanzen, Widersprüchen zwischen den verschiedenen Orientierungen einer Person; üblicherweise operationalisiert über Zufriedenheit oder abweichendes Verhalten)"
Das folgende Zitat zeigt die Einstellung einiger Deutscher, die von seiten der Ausländer eine hohe Assimilationsfähigkeit erwarten.
"Wenn man als Beispiel die Türken nimmt, schon weil sie die größte Ausländergruppe stellen, welche Kultur begegnet uns da? Wenn man nicht berufshalber mit ihnen zu tun hat, begegnet man ihnen allenfalls auf der Straße. Vielleicht nimmt man auch einmal einen Imbiß an einer Döner-Kebab-Bude, und wenn man sehr interessiert ist, besucht man eine Veranstaltung zur "Woche des ausländischen Mitbürgers", wo man dann anatolische Volkstänze erleben und türkische Musik vom Tonband hören kann. Umgekehrt: in welchem Symphoniekonzert oder in welcher Oper hat man je Türken in größerer Zahl gesehen? Also, welche kulturelle Begegnung findet statt?".
Diesen Absatz kann man in dem Sinne verstehen, daß die Deutschen eher zur Akzeptanz bereit sind als die in Deutschland lebenden Ausländer zur Assimilation.
Türken in Deutschland stammen meist aus Arbeitergruppierungen, häufig kommen sie aus türkischen Dörfern und weisen im Vergleich zu Iranern ein niedrigeres Bildungsniveau auf. Der Einfluß von Religion und traditioneller Kultur ist größer als bei Iranern, und der Beweggrund für eine Migration ist meist die Arbeit. Die Türken standen nicht in Opposition zur eigenen Kultur und dem eigenen Wertesystem in der Heimat. Diese Besonderheiten hemmen die Tendenz zur Assimilation. Sie behalten die eigene Identität und wollen sich nicht assimilieren; sie schaffen ein eigenen Ghetto und versuchen, durch Aktivitäten untereinander in ihrer ethnischen Gruppe die eigene Kultur und ihre Werte zu bewahren. Deswegen bleiben sie mit ihrer eigenen Identität getrennt von der Kultur der Mehrheit; so bilden sie ethnische Inseln unter der deutschen Mehrheit.
Meiner Meinung nach ist es den Iranern im Vergleich zu anderen Minderheiten eher gelungen, ihr Leben erfolgreich zu gestalten [Anmerkung: "Sie konnten ihren Gelim (=kleiner Teppich) aus dem Wasser ziehen."; Persisches Sprichwort]. Die Iraner sind merklich der europäischen Lebensweise und dem europäischen Lebensstil näher. Geographisch mögen die Türkei und einige arabische Länder näher liegen, doch von ihrem Lebensstil her stehen die Iraner den Eruopäern näher als Türken oder Arabern. Ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur Anpassung an die deutsche Gesellschaft sind größer als bei Türken und Pakistanern.
Diese Trennung hilft dem türkischen Emigranten, sein eigenes pyschologisches Gleichgewicht zu bewahren und die eigene Identität nicht gänzlich zu verlieren. Als ein Beispiel können wir sehen, daß viele türkische Emigranten in Deutschland starke Kontrolle über ihre Kinder haben und daß die Kinder traditionell heiraten. Derartiges können wir unter iranischen Emigranten nicht in gleichem Maße beobachten, vor allem nicht bei der jüngeren Generation, und schon gar nicht bei Flüchtlingen, eher bei Geschäftsleuten. Im Vergleich zu dieser Gruppe assimilieren sich iranische Migranten schneller, nehmen einige Werte dieser Gesellschaft auf und akzeptieren die Realität der deutschen Gesellschaft als die eigene Realität. Allmählich wird auch die Möglichkeit einer Scheidung zur Selbstverständlichkeit des Lebens in Deutschland, und auch der Respekt vor den Rechten und der Persönlichkeit der Kinder nimmt zu. Die Einstellung gegenüber ihren Frauen ändert sich ebenfalls.
Ein Teil der Iraner ist im Bereich des Handels im Hafen beschäftigt, sie lassen sich als "alte" Emigranten bezeichnen, die vor der islamischen Revolution hergekommen sind. Ein Teil von ihnen sind Studenten, ein weiterer Iraner, die hier ausgebildet wurden und sich zum überwiegenden Teil anpassen und in die deutsche Gesellschaft eingliedern konnten; dabei handelt es sich meist nicht um eine Integration, sondern eine Form der Assimilation. Sie haben eine iranische Mentalität, die wegen des jahrelangen Lebens hier einige deutsche Gewohnheiten aufgenommen hat. Der verbleibende Teil umfaßt Asylanten, die nach der Revolution hierhergekommen sind.
[...] die Jüngeren können sich schneller anpassen, und die Gesellschaft akzeptiert die Jüngeren schneller als die Älteren, was dazu führt, daß sie zufriedener sind.
Iranische Emigranten lernen, anderen nicht mehr (wie früher) zu erlauben, sich in die eigenen persönlichen Angelegenheiten einzumischen. Man kann hier sehen, daß sich das Heiratsalter erhöht hat, und die Freundschaften zwischen Jungen und Mädchen haben sich den Formen der Gastgesellschaft angepaßt. Es sieht so aus, daß der Unterschied zwischen den iranischen Migrantenfamilien in Europa im Vergleich zu den Iranern in den USA darin liegt, daß die Migranten in Europa in liberalen Familienverhältnissen leben. Es gibt viele Unterschiede zwischen den iranischen Migranten in Schweden und Europa im Vergleich zu ihren Landsleuten in den USA. In den Vereinigten Staaten und Kanada gibt es viele unterschiedliche Kulturen, die nebeneinander leben.
In Europa hingegen herrscht nur eine Kultur, die sich gegen die Akzeptanz anderer Kulturen wehrt. Deswegen können wir unter den iranischen Emigranten in Europa eine starke Tendenz zur Assimilation beobachten, insbesondere in den Beziehungen zwischen Mann und Frau. Trotzdem herrschen immer noch einige Spuren traditioneller Verhaltensweise unter den Iranern. Zum Beispiel ist häufig die Scheidung, wie im Iran üblich, von Diskussionen und Konflikten begleitet und die Trennung nicht so einfach wie im Westen. Die beiden Partner verhalten sich nicht rational und gehen als Feinde auseinander, eine Tatsache, die besonders auf das Leben der Kinder Einfluß ausübt. Laut Angabe der "Re-United Organization" sind allein 1990 mehr als 52 iranische Kinder in Europa und Amerika von einem Elternteil, häufig dem Vater, entführt worden, weil ein Gericht zuvor das Sorgerecht dem jeweils anderen Ehepartner zugesprochen hatte.
Laut eigenen Angaben vertritt Jan Werner mit seiner Meinung, in Deutschland lebten zu viele Ausländer, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Gerade diese Haltung, ob sie zutrifft oder nicht, ist ein Hindernis für eine erfolgreiche Assimilation der Ausländer bzw. Flüchtlinge.
"Die Vorstellung, solche Ausländer, die keine Berufsausbildung haben, ja nicht einmal eine abgeschlossene Schulbildung, irgendwann einmal in die deutsche Gesellschaft integrieren zu können, ist weltfremd, zumal die meisten Türken, um die größte Ausländergruppe zu nennen, jede Integration bewußt ablehnen."
Für "neue" iranische Flüchtlinge scheint diese Gesellschaft zunächst viele Möglichkeiten zu bieten, um einen ausreichenden sozioökonomischen Status zu erreichen.
Häufig ist dieses Ziel aber nicht so leicht zu erreichen, wie sie es sich vorgestellt haben; die deutsche Gesellschaft ist Ausländern gegenüber verschlossen, und deshalb können sie so schnell keinen Erfolg haben.
Aufgrund der gegenwärtigen gesetzlichen Veränderungen zum deutschen Asylrecht und der zunehmenden Ablehnung durch die deutsche Bevölkerung, nicht zuletzt auch wegen der Mordanschläge und Brandstiftungen durch Rechtsradikale, nimmt die Unzufriedenheit im oben genannten Sinne unter iranischen Flüchtlingen zu.
Über die Anteila der weiterwandernden oder in den Iran zurückkehrenden iranischen Flüchtlingen sowie dem Anteil der hierbleibenden iranischen Flüchtlinge gibt es keine Statistiken. Durch einige Angaben aus den Experteninterviews ist es aber möglich, zumindest einen Eindruck dieses Sachverhalts zu vermitteln.
Darüberhinaus können oder wollen nicht alle iranischen Flüchtlinge dauerhaft hier in Hamburg bleiben. Vermutlich sind die Hauptursachen dafür das ausgeprägte Nationalitätsgefühl und die Ausländerfeindlichkeit in einigen Schichten der deutschen Bevölkerung, sowie auch die erweiterten Sprachkenntnisse und die verbesserte Ausbildung der Flüchtlinge, die ihnen die Möglichkeit zur Arbeit in anderen Ländern bietet. Einige iranische Flüchtlinge versuchen nach einigen Jahren, Hamburg zu verlassen; sie wollen häufig in die USA, nach Kanada oder auch nach Australien auswandern. Abgelehnte Flüchtlingsfamilien aber wollen oftmals warten, weil sie auf die Anerkennung hoffen und keine weiteren Möglichkeiten ins Auge fassen (Sie haben z.B. keinen Reisepass.) Diese Situation trifft man bei der Mehrheit der iranischen Flüchtlinge in Hamburg an.
Segregation
Die Ausländer in Hamburg wohnen nicht segregiert, sondern dort, wo auch die Deutschen wohnen. Die iranischen Kaufleute und diejenigen, die wohlhabend sind, wohnen mitten unter den Deutschen, dort, wo auch die wohlhabenden Deutschen wohnen (siehe auch Kapitel "Wohnen in Hamburg"). Flüchtlinge auf der anderen Seite ziehen in die Stadtteile, in denen die meisten Sozialwohnungen stehen; dort ist der Anteil der Ausländer größer als der der Deutschen. Es sind dies Gebiete, in denen die sogenannten "sozial Schwachen" wohnen, und wo Ausländer nicht auffallen, weil sie in der Überzahl sind. Doch ein Teil der Flüchtlinge lebt in Flüchtlingslagern, auf Wohnschiffen, in Flüchtlingsheimen, oder Hotels. In jedem Stadtteil Hamburgs kann man diese Wohnheime durch ihre einheitliche, uniforme Bauweise leicht identifizieren.

 

exodus1
Ageofinteligenc

Referenz

Facebook
Google
Twitter